Wegen Kündigungen? Arbeitskampf in der Neustädter Gastro

Auf Wunsch der FAU Dresden geteilt.

Kundgebung der FAU Dresden unter dem Motto "Süße Kuchen, bittere Jobs" vor dem Café V-Cake.

Die Dresdner Neustadt ist bekannt für ihre Kneipen und Bars. Das Image des Szeneviertels, wo nach dem Stadtbummel lauschige vegane Cafés und urige Bars Besucher*innen erwarten, passt in das Marketing der Stadt wunderbar hinein. Doch die Gastro-Branche ist traditionell Ort schlechter und ungesunder Arbeitsbedingungen. Da bildet auch die Neustadt keine Ausnahme wie ein neuerlicher Arbeitskampf im veganen Café „V-Cake auf der Rothenburger Straße zeigt. Neben schlechten Arbeitsbedingungen steht auch der Vorwurf im Raum, der Chef des Cafés habe sich gegenüber Mitarbeiter*innen übergriffig verhalten. 

Protest gegen fristlose Kündigung

Im August 2025 organisierte die anarchistische Gewerkschaft „Freie Arbeiter*innen Union“ (FAU) eine spontane Kundgebung vor dem Café. Nach eigenen Aussagen kamen etwa sechzig Menschen zu der Aktion unter dem Motto „Süße Kuchen, bittere Jobs“ am 27. August 2025. Anlass war die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters, sowie die sehr kurzfristige Kündigung einer weiteren Arbeiter*in, nachdem diese sich laut Gewerkschaft FAU über die schlechten Arbeitsbedingungen beschwert hätten.

Die Gewerkschaft zog gegen die fristlose Kündigung vor Gericht. Doch bis zur Verhandlung kam es nicht. Der Inhaber des Cafés wandelte die Kündigung kurz vor Verhandlungsbeginn in eine fristgerechte um. Die FAU Dresden kündigte allerdings an, weiterhin Proteste gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu organisieren. Ehemalige Angestellte des Cafés berichteten von „einem schlicht unerträglichen Arbeitsklima“, gegen das man vorgehen wolle.

„Gezielte Einschüchterung und systematischer Machtmissbrauch“

Im September erschien nun ein Artikel von Marvin Graewert auf der Nachrichtenplattform t-Online, der ein ganz neues Licht auf die Auseinandersetzung werfen könnte. Im Artikel werden die Erfahrungen von sechs anonym bleibenden Arbeiter*innen eines ebenso nicht näher benannten „beliebten Dresdner Cafés“ geschildert. 

Der Arbeitsalltag sei geprägt worden von Annäherungsversuchen durch den Chef des Cafés, welcher immer wieder und gegenüber mehreren Arbeiter*innen anzügliche Bemerkungen und ungewollte Berührungen gemacht habe. „Er hat ständig versucht, Körperkontakt herzustellen, wahrscheinlich um das möglichst beiläufig zu normalisieren.“, wird eine Arbeiterin in dem Artikel zitiert.

Auf Ablehnung und Kritik habe der nicht namentlich bgenannte Chef heftig reagiert. So soll er in einem Fall jegliche Kommunikation sogar organisatorischer Natur für die Arbeit eingestellt und die Angestellte mit Schweigen bestraft haben. In einem anderen Fall habe er systematisch Druck ausgeübt, etwa in dem er mit Stoppuhr jede Bewegung einer Angestellten dokumentiert habe. Bis heute hätten alle Betroffenen starke psychische Belastungen von der Arbeit in dem Café davon getragen. Eine Arbeiterin verließ die Branche danach für immer.

Von derartigen Fällen war allerdings in der bisherigen Öffentlichkeitsarbeit der Gewerkschaft FAU nie die Rede gewesen. Auch auf eine Nachfrage seitens addn.me äußerte sich die Gewerkschaft nicht zur Frage, ob es zwischen ihren Protesten und dem Artikel bei t-Online einen Zusammenhang gäbe. Die Gewerkschaft verwies aber darauf, dass sexualisierte Gewalt in hierarchischen Beziehungen mit starken Abhängigkeiten besonders häufig vorkomme. Entsprechend öffneten prekäre Anstellungsverhältnisse – wie häufig in der Gastronomie – Belästigung und sexualisierter Gewalt Tür und Tor. Man habe vor kurzem eine Veranstaltung zur Aufklärung über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in der Dresdner Neustadt abgehalten. Dass diese ausgerechnet vor dem Café V-Cake stattfand, kommentierte die Gewerkschaft nicht. 

Eine Anfrage von addn.me an den Betreiber des Cafés V-Cake blieb unbeantwortet.  

Plakate kritisieren sexualisierte Gewalt im V-Cake. 

Plakate beschuldigen den Inhaber des Cafés V-Cake.

Aufmerksame Neustädter*innen konnten in den letzten Wochen mehrfach Plakate an verschiedenen Orten vor allem in der Rothenburger Straße sehen. Verschiedene abgedruckte Sprüche nannten den Betreiber des Cafés V-Cake persönlich. Die Anschuldigung ist eindeutig: ihm werden mehrere Zitate in den Mund gelegt, die Belästigung bagatellisieren, unter anderem auch die bei t-Online auffindbare Bemerkung „Mobbing ist mein Hobby:“ Auf den Artikel bei t-online verweist auch der auf den Plakaten abgedruckt QR-Code. 

Der Grund für diese anonyme Form der Auseinandersetzung könnte daran liegen, dass die juristische Nachweisbarkeit vieler Anschuldigungen schwierig sein dürfte. In vielen Situationen würden die Aussagen von einzelnen Arbeiter*innen gegen die ihrer Chef*innen stehen und damit kein ausreichender Nachweis erbracht werden. Dieses Muster dokumentiert das Antidiskriminierungsbüro immer wieder. Somit sind öffentliche Äußerungen ganz egal ob wahr oder falsch schnell mit Verleumdungsklagen bedroht. Auch hier gibt das Machtgefälle zwischen Chef*innen und Arbeiter*innen den Vorteil im Zweifel den Mächtigeren.

Einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2019 zeigt, dass 19 Prozent aller Arbeiter*innen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erleben. Dabei sind Frauen¹ fast doppelt so oft betroffen wie Männer und ein überwiegender Anteil der angegebenen Täter*innen ist männlich.

Wie sich Betroffene wehren können dokumentiert die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ebenfalls auf einer umfassenden Website.


¹ Die Studie differenziert lediglich nach Männern und Frauen und beinhaltet keine anderen Geschlechter.

Titelbild: FAU Dresden